Café 1930: Eine neue Piazzolla-CD von Piercarlo Sacco und Andrea Dieci
Was für eine schöne neue Piazzolla-CD! Vor fast genau zweiundzwanzig Jahren, am 4.7.1992 starb Astor Piazzolla, der Begründer des Tango Nuevo, und man kann nicht behaupten, dass seine Musik ohne Wirkung geblieben wäre. Auch die Diskographie der Piazzolla-Bearbeitungen ist ansehnlich und durchaus prominent besetzt. Wer ein bisschen im Internet zu stöbern versteht, bekommt beileibe nicht nur das Bandoneon zu hören; wogegen ja nicht mal etwas zu sagen wäre …
Hier setzen nun also Piercarlo Sacco (Geige) und Andrea Dieci (Gitarre) eine Reihe fort, in der auch Namen wie Gidon Kremer oder das Artemis-Quartett stehen. Mutig, aber ein Wagnis, das sich gelohnt hat, denn die Violine von Piercarlo Sacco liefert ein eindrucksvolles Spektrum an Klangfarben: Mal blickt sie verträumt, sinnierend vom Balkon, mal schlendert sie, eine wundervoll traurige Melodie vor sich hin pfeifend, durch nächtliche Straßen von Buenos Aires. Bald schon ereifert sie sich in Leidenschaft, und gesteht sich auch in den hellsten Momenten die raue Stimme einer fein gewebten Melancholie zu.
Andrea Dieci bietet dazu auf der Gitarre einen Mit- und Gegenpart, der als musikalischer Essay über die komplexen Tango-Philosophien von Führen und Folgen durchgehen kann. Sensible, differenzierte und ausdrucksstarke Tonkunst, von der Art, wie auch gut getanzter Tango ist – du stehst daneben und denkst: Mein Gott, was da alles passiert! Und damit meine ich noch nicht einmal die spektakulären, perkussiven Effekte, das Klopfen und Knarzen auf Gitarren- und Geigenkorpus, Saiten, Steg und weiß Gott noch wo, sowie allerlei Sprung- und Flattertechniken mit dem Bogen: An unkonventioneller virtuoser Würze mangelt es dieser Einspielung gewiss nicht. Saccos Instrument, eine rund 300 Jahre alte Augsburger Geige, macht dabei so einiges mit …
Wichtiger ist mir ein anderer Punkt: Was hier bezaubert, ist die große Tangokunst Piazzollas, die sich nicht darum schert, ob sie nun mehr E-Musik bzw. Kunst oder Unterhaltung ist. So mag man dem Lob von Sal Pichireddu zustimmen, der in seiner Rezension für das Brilliant-Classics-Blog feststellt, dass der „‘Geist’ der Originale vollständig erhalten“ geblieben ist. Ich würde sogar noch einen Tick mehr sagen: Piazzollas unverwechselbare Sprache kommt, so bearbeitet und interpretiert, in einem Facettenreichtum zu Gehör, der auch gestandenen Fans viel zu sagen hat.
Vier Stücke haben Sacco und Dieci für ihre Tango-Expedition ausgewählt und zum größeren Teil für ihre Zwecke neu arrangiert: Die „Histoire du Tango“ für Flöte und Gitarre, mit den vier sprechend betitelten Sätzen „Bordel 1900“, „Café 1930“, „Nightclub 1960“ und „Concert d’aujourd’hui“. Dann die fünf Gitarrenstücke „Cinco piezas“: „Campero“, „Romántico“, „Acentuado“, „Tristón“ und „Compadre“. Weiterhin „Quatre Études tanguistiques“, nach den „Tango-Études“ für Flöte oder Geige solo – als da wären „Décidé“, „Lento: Meditativo“, „[Crotchet = 120]“ und „Avec anxiété“. Und schließlich die Milonga campera „Celos“, die man von den dargebotenen Stücken am allerwenigsten allein hören sollte.
Wer argentinische Kultur liebt und eine höchst expressive, niemals oberflächliche Musik zu genießen weiß: Dem ist diese CD uneingeschränkt zu empfehlen!
Astor Piazzolla: Café 1930 – Music for Violin and Guitar
Von Piercarlo Sacco und Andrea Dieci
Erschienen am 16. Mai 2014 auf Brilliant Classics (Nr. 94896)
Unser Gastautor Nils-Christian Engel ist PR-Journalist und spezialisiert auf Reise- und Kulturthemen.
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